Mal ganz pragmatisch betrachtet: Die native Kraft des Social Web
Nein, damit das gleich klar ist: Ich möchte keinen Artikel über sinnvolle Social Media Strategien usw. schreiben. Das hatten wir doch bereits, das wissen wir auch bereits und da werden wir auch nach wie vor viel lesen, in einer Welt, die sich rasanter nicht verändern könnte…
Mir geht es hier darum, die Zweifler, die Zögerer und Zauderer, die Menschen, die nicht an die Kraft der virtuellen Gesellschaft glauben, zu erreichen. Ich habe ein kleines Beispiel aus meinem privaten Bereich, das mir sehr plakativ und eindrucksvoll die Reichweite, die Aktionsmöglichkeiten und die gesellschaftliche Nähe des Social Web verdeutlicht, so ganz pragmatisch.
Alles fing damit an, dass ich mich für Gebärdensprache interessiert habe und an einem kleinen Einsteigerkurs teilnehmen konnte. Einfach aus Interessen, ohne weitere Ziele. Der Kurs war neu und die junge Dozentin, die selbst hörend durch ihre gehörlosen Eltern fast “Muttersprachlerin” ist, hatte noch kein professionelles Unterricht begleitendes Material. Ich habe sie dann gefragt, ob wir sie nicht filmen können, wie sie die wichtigsten Vokabeln gebärdet. Sie hatte nichts dagegen, ich habe die Videos dann allen Kursteilnehmern zur Verfügung gestellt.
Irgendwann habe ich mich gefragt, ob das nicht vielleicht auch andere Menschen im Internet interessieren könnte, die Dozentin hatte nichts dagegen, ich habe einen YouTube Kanal angelegt, die drei Videos hochgeladen und getaggt.
Nun komme ich zum eigentlichen Kern der Sache. Das am häufigsten gesehene Video hat nach gut 1 1/2 Jahren die 100.000er Grenze überschritten. Ich habe nur bei dem Video 275 positive Bewertungen, 120 Kommentare und bin 330 mal als Favorit deklariert worden. Die anderen beiden Videos wurden Stand heute knapp 26.000 bzw. 18:000 Mal angesehen. 133 User haben bis heute meinen Kanal abonniert. Google listet das erste Video mit dem Suchbegriff “Gebärdensprache” an vierter Stelle im Gesamtsuchergebnis! Das wird dann irgendwann zum Selbstläufer!
Ich bekommen häufig Mails mit Fragen zum Thema und Vanessa, die Dozentin, hat schon dazu beigetragen Ehen zu schließen, indem sie geholfen hat, den Antrag zu gebärden.
All das ist passiert, ohne, dass ich irgendetwas getan habe. Ich hatte kein Social Media Konzept, ich habe das nicht weiter auf Twitter, Facebook oder Google+ vermarktet. Nein, ich habe einfach nichts gemacht. Und doch ist daraus eine ganze Menge geworden. Fast 150.000 Menschen haben sich die drei Videos bis heute angesehen und wir haben viel positives Feedback bekommen.
Gerade die Tatsache, dass es kein Konzept, keine Vermarktungsstrategie, keine Einbettung in andere Konzepte oder Projekt gibt zeigt aus meiner Sicht, dass guter Content im Social Web eine unglaubliche Strahlkraft entwickeln kann. Ich muss mit meinen Inhalten nur die Menschen erreichen, sie müssen sich für das Thema interessieren und ich muss inhaltlich ihren Nerv treffen.
Liebe Zweifler, liebe Zögerer und Zauderer, liebe Web 2.0- Verdammer, natürlich ist nicht alles gut in einer Gesellschaft. Weder in der realen, noch in der virtuellen. Aber wir spüren doch alle gerade, dass sich Machtverhältnisse verschieben. Nordafrikanische Revolutionen, Sopa, fast jeden Tag lernen wir, dass die Kraft der Gemeinschaft, aber auch die des einzelnen im Internet wächst. Das kann gut, aber auch schlecht sein, aber es ist so, wie es ist.
Ich habe mit drei kleinen Videos und mit einem nicht unbedingt massenkompatiblen Thema in überschaubarer Zeit ohne nachzuhelfen viele tausend Menschen erreicht, das ist aus meiner Sicht ein sehr unverfälschter Beweis für die Möglichkeiten, die die neue virtuelle Gesellschaft uns allen bietet. Und jeder sollte sich klar machen, dass all dies unsere Gesellschaft nachhaltig verändern wird. In vielerlei Beziehung. Da tun wir gut daran uns ohne Vorbehalte dieser neuen Welt zu stellen und sie für uns alle im positiven Sinne mit zu gestalten. Wir haben die Möglichkeit dazu…
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